Alpirsbach
Das Kloster Alpirsbach im Schwarzwald ist die Heimat der Kirchlichen Arbeit. Dort fand 1933 die erste Kirchliche Woche statt, und in den folgenden Jahren gewann die Arbeit dort mehr und mehr ihre bis heute maßgebliche Form. Mit der Zielsetzung, das Stundengebet der Klöster für die evangelische Kirche wiederzugewinnen, war Alpirsbach Quellort der kirchlichen Erneuerung, in theologischer wie auch in kirchenmusikalischer Hinsicht. Es ging um die Erneuerung des Gottesdienstes und die Rückbesinnung auf die Funktion und Bedeutung von Gottes Wort. Die Ursprünge der kirchlichen Arbeit Alpirsbach sind eng verbunden mit den theologischen Denkvoraussetzungen der Bekennenden Kirche. Der Aufbruch in den liturgischen Fragen und der Gedanke der Wiederbelebung des Gottesdienstes durch die Gregorianik hatte mit der Überzeugung zu tun, dass das Bekenntnis Folgen haben muss für das ganze Leben.
Keimzelle des Klosters Alpirsbach war ein Landgut, das vermutlich im Laufe der Rodungskolonisation des Hochmittelalters entstanden war. 1095 besiedelten erstmals Benediktinermönche aus St. Blasien den Schwarzwaldort. Ein hölzernes Oratorium als Gründungsanlage wurde am 16. Januar 1095 durch den Konstanzer Bischof geweiht. Bald folgte das erste steinerne Oratorium, das 1099 geweiht wurde. 1125 bis 1133 wurde das Münster in Form einer flachgedeckten dreischiffigen Basilika mit Querhaus, Chor und Nebenchören fertiggestellt und im Jahr 1130 von Bischof Ulrich II. von Konstanz dem Heiligen Nikolaus geweiht.
Schon in der ersten Zeit des neuen Klosters wuchs der Einfluss des Klosters Hisau. Im 15. Jahrhundert jedoch entzweite sich die Mönchsgemeinschaft über die damaligen benediktinischen Reformbewegungen, was schließlich dazu führte, dass sich von 1451–1455 der Konvent auflöste. 20 Jahre später trat das Kloster unter Abt Georg Schwarz der Melker Reform bei, und Abt Hieronymus Hulzing (1479–1495) führte das Kloster 1482 der Bursfelder Kongregtion zu. Er wird auch als zweiter Gründer des Klosters bezeichnet. Die Reformen führten zu neuer wirtschaftlicher Blüte des Klosters. In großem Stil wurden Baumaßnahmen durchgeführt. Das Klausurgebäude wurde fast völlig umgebaut, Ende des 15. Jahrhunderts die Klosterkirche neu ausgestattet, Anfang des 16. Jahrhunderts die Marienkapelle gebaut.
Die Bauernaufstände und die Reformation erschütterten das Kloster. 1522 verließ der spätere württembergische Reformator Ambrosius Blarer als Prior das Kloster. Herzog Ulrich von ürttemberg löste es nach der Rückeroberung seines Herzogtums auf. Sein Sohn Herzog Christoph richtete 1556 in Alpirsbach wie in den übrigen dreizehn Männerklöstern des Landes eine Klosterschule ein. Diese wurde jedoch bereits 1595 wieder aufgehoben.
Der Grundriss des Klosters weist die Merkmale der cluniazensischen Reformklöster auf. Charakteristisch ist die archaisierende Haltung, klare Überschaubarkeit der Grundrisse, Flächenhaftigkeit außen und innen, Aufgabe des Westchores und der Krypten, des Gewölbebaues und die Beschränkung des plastischen Schmuckes. Die Osttürme lagen östlich vom Querhaus, das Snktuarium flankierend (schwäbische Tradition), was einer Abstimmung von Liturgie und Geläute diente. Die Mittelapsis außen halbrund geschlossen; über deren drei Altarnischen – wie in Hirsau – eine Art Tribüne für einen vierten Altar, im Westen ein flachgedecktes ´Paradiess. Die ungewöhnliche Höhe des Kirchenraumes entspricht der zu Beginn des 12. Jhs. einsetzenden Steigerung der Proportionen in der Vorphase der Gotik. Überschwere Würfelkapitelle weisen auf die schwäbische Vorliebe für derbe Formen hin.
An die in Ost-West-Richtung ausgerichtete Kirche schließt sich der Klosterbau an. Der Kapitelsaal stammt aus dem 12. Jahrhundert, Kreuzgang und Klausur entstand von 1480–1495. Im Osten findet sich der Dormentbau mit den Schlafräumen im Obergeschoss sowie den Arbeits- und Aufenthaltsräumen der Mönche. Im Süden schließen sich Kalefaktrim sowie das Refektrium mit Küche an. Im Westen befinden sich die Vorratskeller sowie der Zugang zur Außenwelt über die Pforte. Im 15. Jahrhundert fanden umfangreiche Umbauten am Ostflügel der Klausur statt. Der Dormentbereich wurde in Einzelelemente aufgeteilt, der Kreuzgang wurde aufgestockt, so dass auch in dessen Obergeschoss Zellen untergebracht werden konnten. Im Südbau wurde in der gleichen Zeit ein neues Refektorium geschaffen. In den Dreißiger- und Vierziger Jahren waren die Konventualen der Kirchlichen Wochen noch in den Zellen des Dorments untergebracht.
Erwähnenswerte Elemente des Klosters sind das Tympanon über dem Westportal (12. Jahrhundert), alte Skulpturen an einigen Säulenkapitellen und -basen, ein Hochaltarschrein (ca.1520) und Epitaphe Alpirsbacher Äbte.
Das Münster in Alpirsbach ist als eine der reinsten romanischen Kirchen ohnehin ein Publikumsmagnet. Seit der Errichtung der neuen Skulpturen-Orgel des Orgelbauers Claudius Winterhalter aus Oberharmersbach im Schwarzwald hat es noch mehr touristischen Zulauf. Aus allen Richtungen strömen Menschen hinzu, auch solche, die noch nie einen Fuß in eine Kirche gesetzt haben. Es ist die erste mobile Orgel Deutschlands. Claudius Winterhalter hat in gestalterischer Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Armin Göhringer eine Orgel als skulpturhafte Klangsäule konzipiert, die auf Luftkissen durch den Raum zu bewegen ist. Das in dieser Art einmalige Konzept ermöglicht es, die Orgel-Skulptur von der Südwand des Querhauses bis in die Vierung hinein zu fahren und dabei bis 90 Grad zu drehen. Damit kann das Instrument mit nur 35 Registern von unterschiedlichsten Positionen aus jeder denkbaren Gottesdienst- und Konzertsituation gerecht werden. Die »Orgel-Skulptur« will auch in ihrem Gehäuse als Kunstwerk wahrgenommen werden. Sie ist wunderbar anzusehen, hat eine eigene kunstbetonte Beleuchtung, sie hat auch einen großen Klang und ist in den Klangfarben außerordentlich vielfältig. Gemeinsam mit der wunderbaren spätromanischen Hallenkirche bildet sie ein einmaliges Gesamtkunstwerk.