Alpirsbacher Antiphonale
Es war das Lebenswerk von Friedrich Buchholz, die lateinischen Formen für den deutschen Gottesdienst, für das deutsche Beten verfügbar machen. Er folgte damit seinem älteren Freund und Lehrer Richard Gölz, mit dem er in dieser Schaffensperiode in Kontakt stand.
Die Formen des Gregorianischen Chorals sind für Mönche geschaffen, die sie in stetiger Übung solistisch bzw. mit kleinem Chor realisieren. Für die Gemeinde sind sie vielfach zu anspruchsvoll. Eine Vereinfachung dieser Formen stand jedoch für das Alpirsbacher Antiphonale niemals zur Debatte. Sein Ziel war es, »die deutschen Texte mit gregorianischen Weisen so zu verbinden, dass die Struktur echter Gregorianik gewahrt bleibt«; (F. Buchholz). Die deutschen Texte, die Buchholz den Melodien des lateinischen Chorals unterlegt, sind die von Luthers Bibelübersetzung.
Die Hymnen wurden von Rudolf Alexander Schröder aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen.
Das Alpirsbacher Antiphonale besteht aus Einzelheften,
- Matutin (1969)
- Laudes (1953)
- Sext (1962)
- Vesper (1956)
- Complet (1950)
- Ordnung und Gesänge zur Messe (1951/1966)
- Weihnachten (1937/1977)
- Messe an Epiphanias (1972)
- Oster-Sonntag (1952/1974/1988)
- Pfingst-Sonntag (1953/1981)
- Dabei ging Buchholz z.T. mit größter Formstrenge, z.T. aber auch mit großer evangelischer Freiheit mit den überlieferten Formen von Text und Melodie um; leitendes Prinzip bleibt aber stets die größtmögliche Treue zur überlieferten musikalischen Form.
Dieses Unterfangen begegnete gewichtigen liturgiewissenschaftlichen Vorbehalten. Die von Dom Eugène Cardine (1905-1988) in Solesmes begründete semiologische Gregorianikforschung hat mit der Erschließung der musikalischen Bedeutung der Neumen (neuma= griechisch Wink, also Dirigierzeichen vor Erfindung der Quadratnotenschrift) zweifelsfrei ergeben, dass die Gregorianik untrennbar mit der lateinischen Sprache verknüpft ist. Die Melodie erwächst im Gregorianischen Choral auf subtile Weise aus der Wortmelodie des lateinischen Textes und überhöht sie. Luigi Agustoni (1917-2004), ein Altmeister der Gregorianischen Semiologie, spricht von einer Wort-Ton-Symbiose. Im Gregorianischen Choral lebt die Melodie nicht ohne den - lateinischen! - Text.
Trotz der veränderten theoretischen Voraussetzungen ist der von Buchholz gebahnte originelle Pfad auch für die Zukunft wichtig. Es wäre unverantwortlich, ihn aufzugeben oder bloß konservativ verkümmern zu lassen. Das Lutherdeutsch mit den originalen gregorianischen Melodien in musikalisch befriedigender Weise zusammenzubringen, bleibt eine der Kirchlichen Arbeit Alpirsbach aufgegebene Herausforderung.