KAA in der DDR

I.   Anfänge  in  Erfurt  1948 – 1965

 In der Predigerkirche zu Erfurt versah seit Ende 1945 Dr. Heinrich Benckert (später Professor der Theologie an der Universität Rostock) den Predigtdienst. Er hatte auf   einer Kirchlichen Woche in Alpirsbach Dr. Friedrich Buchholz, den „Vater“ des Al­pirsbacher Antiphonale - eine von ihm erarbeitete Sammlung von Stundengebeten und Messgesängen in den Formen des Gregorianischen Chorals in deutscher Sprache - kennengelernt.

Das klang nach. Aufgrund dessen organisierte Benckert 1948 eine Kirchliche Wo­che in der Predigerkirche, einem ehemaligen Dominikanerkloster, in dem sich um 1290 Meister Eckhart aufhielt. Es war die erste in der Sowjetischen Besatzungszone, der späteren Deutschen Demokratischen Republik. Die Teilnehmer kamen aus allen Teilen Deutschlands, mit reger Beteiligung der Predigergemeinde, die zudem kos­tenlose Privatquartiere zur Verfügung stellte. Die Kirchliche Arbeit Alpirsbach der westlichen Besatzungszonen half mit Heften des Alpirsbacher Antiphonale. Die Wo­che verlief in der in Alpirsbach üblichen Weise mit Studium und Singübungen, Stundengebeten und Messe. Buchholz fungierte als Kantor und Präses chori, Ben­ckert als Prediger. In gleicher Besetzung folgten von

1950 - 1955   alljährlich weitere Wochen. Finanziell trugen sich die Konvente bis heute durch die Teilnehmerbeiträge. Ab

1958                 erhielt Buchholz keine Einreisegenehmigung für die DDR, deshalb übernahm Benckert das Amt des Präses chori, Dr. Erhart Paul, Leipzig, übte in diesemJahr das Kantorat aus, in den Jahren

1959 + 1961   Walter Bernstein, Leipzig.

1961                  musste der Konvent wegen Bauarbeiten an der Predigerkirche nach Lehnin, Mark Brandenburg, ausweichen. Eine für

1962                 vorgesehene Woche in Gernrode, Harz, kam nicht zur Durchfüh­rung, da weder Buchholz noch Benckert kommen konnten.

1965                  fand die letzte Woche dieser Epoche statt, nun in der wiederherge­stellten Predigerkirche und mit Buchholz und Benckert. Nach dem Tode von  Buchholz (1967)  und Benckert (1968) wurde die Ar­beit in Ostdeutschland zunächst führungslos.

 

II.   Ora et labora - Rüstwochen  in  Lehnin  1967 - 1976

  Kloster LehninWieweit das Erlebnis der Erfurter Wochen in einzelnen Gemeinden bescheiden wei­terlebte, ist nicht zu überschauen. Eine ganz schlichte Form fanden Reinhard Win­kelmann und Eva Pohle als Gemeindeglieder der Ev. Pfarr- und Glaubenskirche in Berlin-Lichtenberg, indem sie von 1967 bis 1976 “Ora et labora-Rüstwochen“ im Diakonissen-Mutterhaus Luise-Henrietten-Stift in Lehnin organisierten. In der ehe­maligen Zisterzienser-Abtei trafen sich alljährlich überwiegend junge Gemeindeglie­der aus Lichtenberg mit einigen Freunden der Kirchlichen Arbeit Alpirsbach aus Er­furt für 9 bis 16 Tage im Sommer zu Arbeit und Gebet. 

Die Teilnahme war kostenlos, da für die täglichen 5 Stunden Arbeit freie Station ge­währt wurde.

Der Tagesablauf:

5.00 Uhr               Beginn der Arbeiten mit dem Schwerpunkt der Schuttabtragung des Westflügels der Klosterruine (auf dem gut erhaltenen Fundament wurde ein Schwestern-Wohnhaus errichtet, wodurch später auch Schachtarbeiten für die Ver- und  Entsorgung anfielen) sowie Feld- und Gartenarbeiten, dazu Dienste im Krankenhaus, Altersheim und Mutterhaus.

7.00 Uhr               Kurze Laudes in der Klosterkirche St. Marien, anschließend Frühstück.

8.00 - 11.00 Uhr   Weitergang der Arbeiten.

12.00 Uhr            Kurze Sext (ab ca. 1971), anschließend Mittagessen und freie Zeit. Vor dem Abendbrot gelegentlich Singen auf den Stationen im Kran­kenhaus bzw. Altersheim.

18.30 Uhr            Abendbrot, anschließend Choralübungen mit handgeschriebenen Auszügen des Alpirsbacher  Antiphonale, Vorlesen, Themengespräche und anderes mehr.

20.30 Uhr            Ungekürzte Complet.

 

III.   Gregorianische  Wochen  ab  1978

Durch Rückfragen von interessierter Seite ermuntert, regte Eva Pohle 1977 an, die Alpirsbacher Wochen in ihrer ursprünglichen Form wieder aufzunehmen. Nach Rücksprache mit alten Freunden übernahm sie die Organisation und gewann Lothar Fleischer, Plauen, als Kantor und Reinhard Winkelmann als Präses chori. Alle drei hatten mehrmals an Kirchlichen Wochen in Erfurt teilgenommen und dort Erfah­rungen gesammelt. Sie entschieden sich für die auf den Inhalt hinweisende Bezeich­nung „Gregorianische Wochen“, da im Blick auf die politische Situation die Ver­wendung des Namens „Alpirsbach“ nicht ratsam war. Um ein juristisches Dach für diese übergemeindliche und ehrenamtliche Aufgabe zu haben, gliederten sich die Gregorianischen Wochen dem Kunstdienst der Evangelischen Kirche in Berlin, der Dienststelle von Eva Pohle, an.

Als Eva Pohle 1984 in den Ruhestand ging, übernahm diese Verantwortung das Diakonische Werk der Ev. Kirchen in der DDR, die Dienststelle von Reinhard Winkelmann. Gleichzeitig ließ sich Lieselotte Heine, Berlin, mit Aufgaben der Organisation und Finanzen betrauen.

            1978         fand die erste Gregorianische Woche mit 20 Teilnehmern in Lehnin statt. Die Nachfrage wuchs schnell. Es wurden

1979         28 Teilnehmer in Lehnin mit Prof. Hartmut Schmidt als Kantor,

1980         40 Teilnehmer, erstmalig in Gernrode mit Lothar Fleischer als Kantor,

1981         43 Teilnehmer in Gernrode (Kantor, sofern nicht anders vermerkt, immer Lothar Fleischer).

 

Wegen Überschreitung der Unterbringungskapazität bot das Leitungs­gremium in der Folgezeit neben der bis heute üblichen Gernrode-Wo­che eine zweite Woche mit wechselnden Standorten an. Beide Konvente waren ab sofort ausgelastet, viele bis zu 50% überbucht; das machte Absagen notwendig.

Die zusätzlichen Wochen:

1982   Sommerwoche in Lehnin (Kantor: Winkelmann),

1983   zusätzliche Sommerwoche in Gernrode (Kantor: Dr. Erhart Paul),

1984   Sommerwoche in Meißen,

1985   Sommerwoche in Schwerin.

Auf Anregung von Pfarrer Manfred Poley, Dassow, erfolgten zwischen 1985 und 1989 außerdem Kurzkonvente jeweils im Oktober von Frei­tagabend bis Sonntagmittag in Mecklenburg (überwiegend in Steffens­hagen) mit Laudes, Vesper, Complet, dazu der Messe innerhalb des sonntäglichen Gemeindegottesdienstes. Poley übernahm die Organisa­tion und theologischen Dienste, Winkelmann das Kantorat. Diese Praxis wurde später auch andernorts aufgenommen.

            1986         Sommerwoche in Weimar,

1987         Sommerwoche in Jerichow,

1988         Sommerwoche in Jerichow,

                  Kurzkonvent in Thüringen (Organisation Pfr. Helmut Tonndorf, End­schütz),

1989         Pfingstwoche in Jerichow,

                  Kurzkonvent in Thüringen (wie oben),

                  Kurzkonvent in Meißen (Organisation und Kantorat Elisabeth Grafe, Meißen),

1990         Pfingstwoche in Jerichow.

1990         wurde es infolge der Wiedervereinigung Deutschlands erforderlich, die Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen. Die Konvente in Jeri­chow und Gernrode bestätigten das bisherige Leitungsgremium (Fleischer, Heine, Winkelmann) und wählten vier weitere Mitglieder für einen neuen Leitungskreis hinzu.

 

Schon seit 1979 gab es regelmäßige Kontakte zwischen der Kirchlichen Arbeit Al­pirsbach und den Gregorianischen Wochen. Kantoren (Prof. Schmidt, Dr. Paul, KMD Schlosser) und Theologen (Pfr. Lochter, Pfr. Jüngst mit Studenten) kamen zu Gregorianischen Wochen. Die Kirchliche Arbeit Alpirsbach - in Sonderheit Pfr. Jüngst - half mit großzügigen finanziellen Mitteln und Notenspenden. Später konn­ten auch Freunde der Gregorianischen Wochen - sofern sie kirchliche Mitarbeiter waren - gelegentlich auf dem Wege des Studienaustausches zu Wochen in der Bun­desrepublik delegiert werden. Der Fall der Mauer ermöglichte die Vertiefung der Kontakte sowie eine weitge­hende Zusammenarbeit mit dem Ziel des Zusammenschlusses, der 1997 erfolgte.

 

Die Kirchliche Arbeit Alpirsbach besteht in Ostdeutschland seit 50 Jahren, deshalb halten wir es für angebracht, Beginn und wechselhafte Entwicklung darzulegen.

 

Berlin, im Januar 1998

Eva Pohle und Reinhard Winkelmann